Die Frankemer Faschingsnarren starten bravourös in ihre 44. Saison
SCHILLINGSFÜRST – Es war die längste Faschingspremiere aller Zeiten in Schillingsfürst. Fünf Stunden lang sorgten die Frankemer Stupfl für Faschingsunterhaltung in ihrer Jubiläums-Zirkus-Manege. Vor 44 Jahren begann die Geschichte des „Hineinstupfelns“: Den Turnerstammtischbrüdern Walter Hail und Dr. Wolfgang Putscher kam die Idee, den jährlich stattfindenden Turnerfasching aufzupolieren, um mehr Besucher anzulocken.
Und sie hatten einen genialen Einfall: Sie nahmen Figuren aus der Schillingsfürster Heimatgeschichte, wie den Schausteller, den Bettler, das Känzenweib, den Stupfler und den Holzgehner. Diese fünf Protagonisten traten fortan unter dem Namen „Frankemer Stupfl“ auf und kommentierten das Geschehen in Schillingsfürst und im Umland auf ihre Weise – die Stupfl-Sitzungen waren geboren.
Peter Bromberger ist seit 44 Jahren Regisseur der Stupfler und hat das Bühnengeschehen von der ersten Aufführung an begleitet. Mit von der Partie ist Markus Löschel, er schreibt den Großteil der Texte, kümmert sich um die Kostüme und ist verantwortlich für die Sitzungen. Und die Schillingsfürster haben auf der Bühne ein Kuriosum zu bieten: Acht Männer sitzen im Fünferrat mit seinem ersten Vorsitzenden Werner Rauch.
Äußerst gefragt ist der Schillingsfürster Christoph Maul, der zwischen zwei Auftritten auf die Bühne der Albert-Zietz-Halle geeilt war, um die große Politik auf die Schippe zu nehmen. Griechenland, Fifa-Skandal, manipulierte Abgaswerte von VW oder das Betreuungsgeld sind Bestandteil seines Repertoirs, und er hofft, dass bei den Flüchtlingen bald ein paar Ingenieure dabei sind, schließlich sei der Hauptstadtflughafen immer noch nicht fertig. Nachdenklich war er und mahnte mehr Solidarität innerhalb der Europäischen Union an, nicht nur bei der Staubsaugerverordnung.
Auch Heiteres hatte er im Programm. So warf er die Frage nach den stolzen Besitzerinnen eines Thermomix-Geräts für 1099 Euro in den Raum, dieses sei eine „Tupperschüssel mit Motor“. Hausfrauen hätten sich schon um ein solches Gerät geschlagen, als es bei Discountern zum Schnäppchenpreis von 199 Euro angeboten wurde. Auch die „persönliche Einladung“ durch den Schillingsfürster Bürgermeister Michael Trzybinski zum fürstlichen Weihnachtsmarkt nahm er auf die Schippe. Tosender Applaus für den Akteur, der noch einen draufsetzte und pointiert das Essverhalten der Vegetarier und Veganer hinterfragte.
Von Schwabach kommend eilte der „Hausl“ nach Kleinrinderfeld und die Bühne betraten die Frankemer Stupfler. Sie widmeten ihre Betrachtungen zunächst der Heimatstadt Schillingsfürst, beklagten das Schließen zweier Getränkemärkte, bedauerten, dass es nur noch einen Friseur gebe, dass immer mehr Handwerksbetriebe aufgeben würden und es dem jetzigen „Scharler“ nicht gelungen sei, Gewerbeansiedlungen zustande zu bringen. Er könne sich doch den einstigen Fürsten zum Vorbild nehmen, der 1751 aufrief, sich in Schillingsfürst anzusiedeln und auch kostenlosen Baugrund zur Verfügung stellte, zur Errichtung eines zweistöckigen Hauses.
Und natürlich bekam die Lieblingsnachbarstadt der Frankemer auch ihr Fett weg: Die Rothenburger Dauerbaustelle in der Erlbacher Straße war dabei ein großes Thema. Eine Fahrt aus der Bleiche in die Stadt sei so zur Halbtagesreise geworden. Außerdem würden Rothenburger Investoren viel heiße Luft erzeugen, so bei der Baustelle am Hotel „Rappen“. Auch die besondere Kommunikationsfreude wurde erwähnt: Gefühlte 1000 Leserbriefe habe es zum Thema „Ludwig-Siebert-Straße“ gegeben. Sprach- und stimmgewaltig nahmen die Stupfler die „Tauberesel“ auf die Schippe, aber auch ihren eigenen Bürgermeister „Tschippi“, der gerne mal Entscheidungen durchwinkt, möglichst ohne lange zu diskutieren.
Der Abend war gelungen, schon die ganz kleinen Stupflschrabbe brillierten mit ihrem Tanz zu Melodien von Udo Jürgens. Maja Löschel als jüngste Büttenrednerin und Nathalie Siller präsentierten sich in Bestform bei einem Casting zum „Grinskischtla“ oder doch des „Grischdkindla“? Sie kommentierten das Geschehen in ihrer Heimat. So bestellten sie Döner per Plakat und erzählten eine „Liegestütz-Geschichte“ von Dieter Gottschling.
Die Junggarde überzeugte durch ihre schwungvolle Tanzeinlage und die Stupfl-Moudeli boten einen Augenschmaus in ihren neuen, blau-goldenen Kostümen. Rexi und Gina, die beiden Ulknudeln Regina Rothenberger und Regina Meder, plauderten als Tierärztin und Tierpflegerin auch übers Essen. So macht die eine „zwei Diäten auf einmal, denn von einer wird man ja nicht satt“ und sie hat ihre ganz eigene Philosophie der Ernährungsumstellung. Bei „Neußer! Meder! Lecker!“ dreht sich alles darum, aus Nichts etwas zu machen. Eine besondere Rothenburger Delikatesse krönt das Menü aus Salz, Zucker und Wein. Doch wie halbiert man diesen Schneeballen? Mit der Säge oder dem Hammer?
Afri und Sven kamen beim Köcheln munter ins Plaudern: über die Fahrt im „Klobus“ von Chamberet nach Schillingsfürst oder die aufgeblasenen Luftballons, die fürs nächste Jahr in Kartons verstaut werden. Martin Rohn trat als singender Postbote in die Manege, nachdem ihn der Zirkuslöwe angefallen hatte. Er jongliert nicht nur mit Postwertsäcken, sondern ist ein Meister der Wortakrobatik. Nicht fehlen durften die Stupfl-Mäschli, die sich als tanzende Flöhe über die Bühne bewegten, passend zum Flohwalzer.
Verwundert rieb sich so mancher Schillingsfürster bei der Morgenlektüre der Zeitung die Augen. War doch überraschend im Fürstenhaus eine Enkeltochter aufgetaucht. So mancher Artikel bringt den Kreislauf des Frankemers am Morgen richtig in Schwung. Die Ausgaben für die Heimattage wurden angeprangert, ebenso wie die Gewinner des Fassadenwettbewerbs, denn zwei Bürgermeister und ein Stadtrat haben die ersten Preise abgesahnt. Souverän begleitet von Waldemar am Keyboard verabschiedeten sich die Stupfler mit „Der Frankemer Fasching wird auch im nächsten Jahr bestehn – lasst uns gehn“.
Das Männerballett, spärlich gewandet in Gladiatorenkostüme, zeigte einen bravourösen Auftritt. Die Gladiatorenschlacht der tanzenden Kämpfer gipfelte in einer Schlusspyramide: dynamisch, kraftvoll, rhythmisch und wagemutig. Rancher und Mäx, alias Ralf Albig und Markus Löschel, betreten die Bühne, errichten eine Leiter. Durch Telepathie gelangt ein besonderes Wäschestück einer Zuschauerin in die Latzhosentasche von Rancher. Trickreich nähern sie sich dem einen oder anderen Fläschchen Bier. Hypnotisiert wird Mäx schließlich zur schwebenden Jungfrau. Ein bisschen tollpatschig geben sie sich, doch das ist gewollt, denn der Auftritt ist ausgefeilt bis ins Detail. Das Publikum johlt.
Die Gardemädchen machen sich auf zum letzten Tanz weit nach Mitternacht, das Publikum immer noch sing- und schunkelfreudig. So auch beim Wörnitzwellenlied. Schillingsfürst ist immer auf der Höhe und – dem Bürgermeister sei Dank – in aller Munde. Schließlich hat er den Satz kreiert „Schillingsfürst – Entsprung der Wörnitzquelle”. sw
QUELLE: Fränkischer Anzeiger vom 12.01.2016